Unter Berücksichtigung aller schleswig-holsteinischen Haftfälle, die in Rendsburg und Eisenhüttenstadt inhaftiert waren, sind 87% der inhaftierten Männer und Frauen und 100% der Kinder 2012 durch Haftanträge der Bundespolizei in den Vollzug geraten. In vielen Fällen handelt es sich um Menschen die auf der bislang erfolglosen Suche nach Schutz und Asyl z.T. schon jahrelange Odysseen kreuz und quer durch Europa hinter sich haben.
Betroffene berichten – sichtbar schockiert darüber, wohin sie geraten sind –, dass ihnen seitens der Bundespolizisten versprochen worden sei, sie kämen in ein Flüchtlingscamp.
Die von Insassen bei Aufgriff vorgetragenen Gesundheitsprobleme bleiben regelmäßig vom polizeilichen und richterlichen Haftentscheidungen unberücksichtigt.
Die Zahl der minderjährig von der Bundespolizei Inhaftierten hat sich 2012 fast verdoppelt.
Bei Ausgängen, z.B. zu Arztbesuchen oder Gerichtsterminen, werden Insassen regelmäßig wie Schwerverbrecher bewacht und in Handschellen gelegt.
Die vom Landesbeirat für die Abschiebungshaft in SH für 2012 konstatierten Fälle von psychischer Not, Selbst- und Fremdgefährdung können vor diesem Hintergrund kaum überraschen.
Dass die Maschinerie wider alle „Humanitätsduselei“ funktioniert, demonstriert eindrucksvoll der – bedauerlicher Weise im Bericht des Landesbeirats nur in einer Randnotiz erwähnte – Fall des Marokkaners A.1, dessen Rückschiebung nach Norwegen, obwohl schwer vom Krebs zerfressen, von der Bundespolizei gnadenlos vollstreckt wurde.
Dass Insassen immer wieder – im Bericht des Landesbeirats sind 8 Fälle vermerkt – aus der Zivilhaft des Rendsburger Gefängnisses i.d.R. zur Disziplinierung in die Kieler Strafvollzugsanstalt verlegt werden, ist ein klarer Verstoß gegen auch für den bundesdeutschen Vollzug verbindliches europäisches Recht. Hier sei gegenüber dem Vollzug eine Intervention der Justizministerin gefragt, erklärt der Flüchtlingsrat.
Der Bericht des Landesbeirats für die Abschiebungshaft listet einmal mehr zahlreiche Argumente für den Beschluss der Kieler Landesregierung, die Abschiebungshaft abzuschaffen – und er ist Mahnung, dabei keine Zeit zu verlieren.
Es gibt nichts Gutes, außer man tut es!
gez. Martin Link, Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein e.V., T. 0431-735 000
1 PE von Diakonie, Landesflüchtlingsbeauftragtem und Flüchtlingsrat SH v. 21.12.2012: http://www.frsh.de/uploads/media/pe_21.12.2012.pdf
Der Jahresbericht 2012 des Landesbeirats Abschiebungshaft ist zu finden unter: www.frsh.de/fileadmin/pdf/Abschiebungshaft/Jahresbericht_Landesbeirat_Abschiebungshaft_2012_-_Endversion_100413.pdf