Der heute veröffentlichte „New Pact on Migration and Asylum“ der EU-Kommission ist ein Konzept zur systematischen Entrechtung von Schutzsuchenden. Die rechtspopulistischen und islamophoben Akteure unter den Ratsmitgliedern haben ihren flüchtlingsfeindlichen Kurs offenbar erfolgreich als flüchtlingspolitische Agenda der EU festschreiben können.
Der Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein appelliert an die Bundesregierung und EU-Ratsvorsitzende diesen Verrat am Asylrecht und an den Menschenrechten von Schutzsuchenden ihren Einfluss entgegen zu setzen. „Gleichzeitig fordern wir das EU-Parlament auf, Rechtsstaatlichkeit und Völkerrecht zu verteidigen und diesen Pakt abzulehnen“, fordert Martin Link, Geschäftsführer beim Flüchtlingsrat. Die EU-Kommission sei dabei, mit einem Stakkato rechtspolitischer Angriffe auf die flüchtlingspolitischen Grundlagen der Europäischen Union, die Menschenrechte, zu verraten.
Der Pakt plant ein Screening, dem alle zum Opfer fallen sollen, die unerlaubt die Grenze überschritten haben. Das Screening wirkt quasi als Vorsortieranlage, bei dem primär nach Herkunftsländern sortiert wird. Unter anderem Schutzsuchende mit EU-weiter durchschnittlicher Anerkennungsquote von unter 20% müssen in ein
beschleunigtes Grenzverfahren. Während des Screening-Verfahrens und des Grenzverfahrens
gelten die Schutzsuchenden als nicht eingereist.
Offenbar sollen möglichst viele Asylsuchende von der Grenze aus sofort zurückgeschickt werden. „Nicht erst die griechische Flüchtlingsmisere hat ultimativ offenbart, dass es faire Asylverfahren in Massenlagern an der Grenze nicht geben kann“, mahnt Martin Link. Es sei auch im Migrationspakt keine umfassende, individuelle Prüfung der Fluchtgründe geplant. „Entweder gibt es Hauruckverfahren, im Eiltempo negative Bescheide zu produzieren, oder die Menschen sitzen im Dauerzustand der Perspektivlosigkeit fest“, kritisiert Link.
Der Pakt droht somit, den Rechtsstaat an den EU-Außengrenzen abzuschaffen. In Lagern unter freiheitsbeschränkenden Bedingungen – wie u.a. aktuell u.a. auf Lesbos von der griechischen Regierung umgesetzt – ist kein effektiver Rechtsschutz möglich, die gerechte Würdigung des Einzelfalls bleibt auf der Strecke.
Die nun im Migrationspakt bekannt gewordenen »Abschiebepatenschaften« durch andere nichtaufnahmewillige EU-Staaten, geraten auch den Schutzsuchenden zum schwarzen Loch, die es trotzdem über die Grenze in ein EU-Mitgliedsstaat geschafft haben. Die neue europäische Solidarität heißt offenbar, sich darin einig zu sein, Menschen abzuschieben.
gez. Martin Link
Hinweis:
Mehr über (erfüllte) Erwartungen und Befürchtungen zum neuen Gemeinsamen Europäischen Asylsystem im aktuellen Magazin Der Schlepper Nr. 98